Tanne vielleicht. Lärche, ja auch. Fichte wohl kaum. Nein! Die Königin unter den Nadelhölzern der Alpen ist die Zirbe.
Für die Pinus Cembra, wie sie der Botaniker etwas emotionslos nennt, schlägt sein Herz. Er hat die Hand darauf gelegt. „Es gibt keinen Baum, den ich mehr verehre als die Zirbe,“ seufzt Sepp Reinstadler, den sie überall im Pitztal, den Zirben Sepp nennen. Mit seiner Frau betreibt er ein Sägewerk in Jerzens. Er macht aus dem edlen Holz Bretter für Möbel und Häuser. Sie delstilliert wertvolles Zirbenöl aus den Resten, rührt mit anderen Zirbenverliebten Schokoladen an, Seifen und Kostmetik, stopft Kissen mit Zirbenspähnen. Nicht zu vergessen der allerorten selbstgebrannte Zirbenschnaps. Ganz Jerzens und das Pitztal sind im Zirbenrausch. „Der Zirbenbaum“, sagt Sepp, „der is was ganz was Gwaltigs.“
Was er meint, erlebt man, wenn man von dem kleinen Laden auf den Hof des Sägewerks tritt. Ein ganz und gar betörender Duft hängt in der frischen Bergluft. Man möchte ihm nachschnüffeln wie ein junger Welpe, bis in jeden Winkel. Harzig, würzig mit einem Hauch Zitrone. Ich kann meine Nase kaum abwenden. Meter hoch türmen sich dicke, mächtige und weniger prächtige Stämme. Einige haben tiefe Narben vom Blitzschlag, die sich rötlich färben. Das war keine leichte Arbeit, sie hier her zu holen, begrüßt Sepp seine Gäste.
Die Zirbe ist wohltuend
Denn die besten und schönsten von ihnen stehen auf den Höhen der Hochgebirge. Sie sind rar und schwer zu schlagen. Der Aufwand, die mächtigen Stämme ins Tal zu bringen ist so groß, dass der Zirbe ein Kahlschlag bislang erspart blieb. „Wir holen immer nur mal ein oder zwei runter.“ Vom Sechszeiger und Hochzeiger. Man sagt dem widerstandsfähigen Hochgebirgsbaum wohltuende Kräfte nach. In den Hotels warten Zirbenzimmer auf die Gäste und Zirbenstuben in den Gaststätten. Und selbstverständlich immer auch ein Zirbenschnaps. Der ist allgegenwärtig und ist zu haben vom taffen Brand bis zum feinen Likör. Würzig und lieblich. Ganz nach Gusto.
Der Boom kommt nicht von ungefähr. Das weiche Holz mit dem angenehmen Duft, lässt sich wunderbar verarbeiten und ist vor allem bei Schnitzern und Möbelbauern beliebt. Früher richtet man dem frisch vermählten Hochzeitspaar ein Zirbenhaus ein. Wenigstens aber eine Zirbenstube. Darin sollten sie gut und geruhsam leben.
Was die Menschen damals nicht wussten, die Wissenschaft aber inzwischen bewiesen hat, macht die Zirbe geradezu zum Modebaum. Die ätherischen Öle ihres Holzes wirken nachweislich beruhigend und gleichzeitig konzentrationsfördernd. Wer auf einem Zirbenkissen oder in einem Bett aus Zirbe schläft, hat einen deutlich geruhsameren Schlaf. Die Botenstoffe und ätherischen Öle der Zirbe senken die Herzfrequenz und haben eine positive Wirkung auf das zentrale Nervensystem, behaupten Experten. Zirbenmöbel und -fußböden verströmen ihre Duftstoffe über Jahre hinweg und schaffen ein gesundes Raumklima.
Die Zirbe – ein Überlebenskünstler
Nicht nur deshalb ist das Holz der Bäume so wertvoll. Der Baum wächst langsam. Er braucht Zeit und kann bis zu 1000 Jahre alt werden. Wanderer müssen weit hinauf ins Hochgebirge um ihn zu finden, erklärt Ernst Partl, Geschäftsführer und Ranger im Naturpark Kaunergrat.
„Hier oben steht der größte zusammenhängende Zirbenwald Tirols“, sagt er. „Die Zirbe findet man bis an die Ränder der Kampfzonen des Waldes.“ Mann erkennt sie gut an ihren Trieben. In jedem Büschel vereinen sich fünf Nadeln. Das unterscheidet die Zirbe deutlich von anderen Nadelbäumen.
„Die Zirbe hat sich auf die Höhen zurückgezogen wo nichts anderes mehr wächst“, sagt Partl. Manche stehen windschief und einsam auf kargen Gipfelfels und trotzen Wind, Eis und Schnee. Andere sind prächtig ausgeprägt und mit einer üppigen, wenn auch immer schmalen Krone und säumen die Wanderwege.
Einer führt zum Sechszeiger auf 2.395 Meter und zurück zum Landschaftsteich. Der Abstieg führt über die Kalbenalm (2.117 m) wo den Gast ein ganzes Zirben-Universum aus der Hand von Hüttenwirt Klaus Schrott empfängt. Manches davon ist gewöhnungsbedürftig. „Die urtümlichen Schnitzerein entstehen meist bei schlechtem Wetter in der Werkstatt“, verrät der Almwirt. Die Kalbenalm ist auch gut von der Hochzeiger Mittelstation über den Zirbenweg zu erreichen. Nach einer Stärkung mit Zirbenschnaps, wandert man entweder weiter zur Tanzalm oder direkt zur Bergstation Gondelbahn. Gut 90 Minuten ist man auf dieser leichten Wanderung unterwegs.
Zirbenrausch im Pitztal
Wer am Hochzeiger wandert wird der Zirbe oder Arve wie die Schweizer sie nennen auf Schritt und Tritt begegnen und in jedweder Form und Geschmacksrichtung. Als Zirbenschnaps. Mal als Likör, mal brandig wie Feuerwasser, mal edel wie ein Obstbrand oder feiner Grappa.
Noch mehr und exzellent Hochprozentiges aus der Zirbe gibt es im Zeigerrestaurant bei Christian Wittwer. Wie man seinen Zirbenschnaps sogar selbst ansetzt zeigt Hannes Gabl vom Ander’s Hofladen in Arzl. Es ist einfacher als gedacht. Dazu werden die Zapfen in dünne Scheiben geschnitten und mit einem guten Brand übergossen. Korn, Vodka eignen sich. Er sollte möglichst geschmackseutral sein. Dazu kommt noch eine Portion Kandiszucker. Festverschlossen im Einmachglas wird daraus in gut vierzehn Tagen ein Zirbenschaps. Die Hohekunst der Schnapsbrennerei liegt freilich auch hier im Detail. An der Talstation der Hochzeigerbahn kann man inzwischen, wie könnte es anders sein, in der Zirbenbäckerei sogar seine Frühstückssemmeln mit Zirbengeschmack kaufen.
Zirbe und Gratsch im ZirbenPark
Wissenswertes zur Zirbe gibt es aber auch. Mit der Hochzeiger Gondelbahn oder dem Sechszeiger Sessellift kommt man in den Zirben Park, der von Pitzi und Gratsch bewacht wird. 2015 eröffnete der Park unmittelbar an der Mittelstation Es regnet in Strömen. Ideal um in der Dauerausstellung alles über den Zirbenwald zu erfahren. Zum Beispiel warum Zirbengraatsch und Zirbenwald ohne einander nicht können. Er macht es wie die Eichkater mit den Nüssen und sammelt unaufhörlich Samen. Versteckt sie und vergisst sie. Am Ende hat der Tannenhäher das Nachsehen und der Bergwald viele neue Zirben.
Der Spaß ist auf dem ein Kilometer langen Erlebnisrundweg sicher. An vierzehn Stationen dreht sich alles um die Zirbe. Zirbenhobel, Zirbensprung und die 16 Meter lange Rutschpartie vom Zirbenturm, von dessen Aussichtsplattform in 12 Metern Höhe man einen herrlichen Blick über das Tal hat.
Die Recherchereise wurde unterstützt vom Tourismusverband Pitztal. www.pitztal.com
NEU im ZirbenPark am Hochzeiger sind ab Sommer 2018
ZirbenNest: Das sechs Meter hohe Nest ist ein neues Highlight im ZirbenPark. Es ist wie ein geheimes Verlies aufgebaut, dessen Zugang erst einmal gefunden werden muss.
ZirbenKugelbahnen: Jede Menge Spaß mit den ZirbenNuss Spielestationen
Zirbenkulinarik-Workshops im Zeigerrestaurant von Mitte Juli bis Mitte August jeden Donnerstag. Interessierte erfahren, wie die Zirbe in der Küche verwendet wird.
Wer noch nicht genug hat von der Zirbe findet auch an die diesen Sationen im Zirbenpark seinen Spaß.
Das ZirbenWasser: Bauen und Stauen im ZirbenPark : Im neuen Wasserspielplatz an der Mittelstation warten Bachläufe, Holzrinnen, ein Flachwasserbiotop mit begehbarem Zirbenzapfen, ein Sandspiel und vieles
mehr auf die ZirbenPark Gäste.
DieZirbenCarts: Der Startpunkt für den neuen Downhill-Spaß am Hochzeiger ist die Sechszeiger Bergstation. Die 3,7 Kilometer bis zur Mittelstation sind etwas für Abenteuerlustige. Mountaincarts sind ein Funsport-Downhillgerät. Sie verfügen über ein hydraulisches Zweikreis-Scheibenbremssystem und ermöglichen durch die ergonomische Sitzposition entspannten Fahrspaß. € 9,- Euro pro ZirbenCart-Fahrt (exkl. Bergbahnticket). Kinder ab 12 Jahren und 150 cm Körpergröße fahren ein eigenes ZirbenCart. Für den ZirbenCart-Verleih ist ein amtlicher Lichtbildausweis erforderlich.
So kommt man hin: Mit der Hochzeiger Gondelbahn oder mit der Sechszeiger Sesselliftbahn.
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Die Zirbe kann Temperaturen bis zu minus 40 Grad überleben. In einem dicken Zirbenzapfen verbergen sich etwa 40 Samenkörner. Der Tannenhäher pickt mit seinem kräftigen Schnabel auch die härtesten Zapfen auf und verteilt auch so die Samen in der Umgebung. Zirben stehen häufig an Anhöhen. Dort vergräbt der Tannenhäher die Samen, damit er im Winter leichter wieder an seinen Vorrat heran kommt, wenn sonst überall eine dicke Schneeschicht den Boden bedeckt.