Liechtensteins Höhenklassiker ist ein schönes Abenteuer für Bergwanderer. Karstige Felswände bis zur Alpspitze. Dahinter liegen blühende Almwiesen.
Wie eine Mondlandschaft wirkt das graue Felsmassiv. Der Fürstensteig oberhalb von Triesenberg in Liechtenstein ist eine sich ständig wandelnde Steinwüste.
Die Sonne steht fast senkrecht und sorgt für das schönste Bergwetter. Mein Blick führt hoch zur steilen Felswand der Alp- und Gafleispitze. Trittsicher sollte man hier sein und schwindelfrei, hatte Guide Rosaria Heeb gesagt. Ob ich die Bedingungen erfülle? Ein Anfänger bin ich nicht, aber schwindelfrei, wer weiß das. Meine drei Begleiter haben den schwindelfrei-Test schon erfolgreich bestanden. An den Drei Schwestern, die man über den Fürstensteig ebenfalls erreichen kann. Oder irgendwo da draußen in den Schweizer, Österreicher oder Liechtensteiner Alpen. Unmöglich, diese Giganten hier aus den Augen zu verlieren. Liechtenstein ist vollständig von Bergen umgeben. 32 Alpengipfel und fast alle erreichen die 2000 Meter Marke.
Wir starten in Gaflei, einem Plateau oberhalb von Triesenberg auf gut 1400 Metern Höhe. Der Weg führt durch den Kamin – auch „Chemi“ genannt, hinauf auf 1944 Meter zum Alpspitz (Gipfelkreuz). Zurück geht es über Blumen getupfte Almwiesen, vorbei an Legföhren (Krüppelkiefern) hinab zur Alpe Bargella (1663 Meter) und dem Bargella-Sattel. Hier genießt man einen herrlichen Blick über die gesamten Liechtensteiner Alpen. Anschließend geht es wieder nach Gaflei.
Kein Zentimeter zu viel
Der Paradeweg durch das karstige Steinmeer liegt oberhalb des Sonnenplateaus auf dem seit Jahrhunderten die Walsersiedlung Triesenberg liegt. Eng schraubt er sich entlang der steilen Felswand durch die klotzige Felsenburg, ohne dem Wanderer auch nur einen Zentimeter zu viel zu gewähren.
An manchen Stellen sind es nur ein paar Zentimeter zwischen Fels und Abgrund. Kaum fußbreit. Rechts die Wand und links geht der Blick weit in die graue Tiefe. Unter den Sohlen knirscht der Schotter. Von Zeit zu Zeit hallt das Klackern der Steine durch die schroffen Felswände. Der Berg lebt, ganz unmerklich und manchmal auch spektakulär. Zeit und Witterung nagen an ihm wie an einem harten Brocken Brot. In jedem Jahr zeigt er ein neues, wildes Gesicht. Eine Bank, die im vorangegangenen Sommer noch müden Beinen Rast gab, ist in der nächsten Saison schon von Steinschlag und Schuttströmen in die Tiefe gerissen worden.
Meine rechte Hand weicht nicht vom Seil und mein Blick haftet konzentriert am gerölligen Untergrund. „Keine Sorge“, sagt Rosaria, „auf Schotter rutscht man den Berg nicht lange runter. Die Steine verkeilen sich und stoppen Dich.“ Schön!, denke ich. Aber hoffentlich verkeilen sie so gut, dass ich auf ihnen auch wieder hochkomme. Holzstämme, irgendwie in den Fels getrieben, sichern schmale Kanten, bis nur noch Holzplanken sich über dem ausgebrochenen Felsabsatz ausbreiten. Unter uns liegt Vaduz. An einigen Stellen blitzt die lebendige Stadt wie gleißendes Zellufan in der Sonne zwischen den grauen Felsformationen hindurch. Mehr als 1300 Höhenmeter liegen zwischen der Landeshauptstadt und uns.
Gut gesichert durch den Fels
Sorge habe ich keine. Der Fürstensteig ist gut gesichert. Wenn Mitte Juni der Bergsommer in dieser stillen Steinwüste beginnt, dann waren vorher fleißige Hände am Werk. Seile, Tritte und Leitern wurden kontrolliert und ausgebessert und der Steinschlag vom Winter aus dem Weg geräumt. Wenn Schnee und Eis das Land übernehmen, ist Liechtensteins Paradetrail komplett gesperrt.
Der Fürstensteig ist ein besonderes Bergerlebnis im Rätikon. Entlang des gesamten Weges öffnen natürliche Aussichtskanzeln einen grandiosen Blick in die Rheinebene, wo der Fluss schnurgerade wie eine Autobahn, durch das Land zieht. Im Norden recken die Drei Schwestern ihre Dome in den Himmel.
Über diese gelangt man auf die Alp Gafadura oberhalb von Planken. Das letze Stück zum Alpspitz wir noch einmal richtig steil. Am Ende kommt die Belohnung. „Ganz klar schwindelfrei“, sagt Rosaria. Puh! Das wäre geklärt.
Und dann noch eine echte Überraschung. Espresso am Gipfelkreuz. Für den schwarzen Muntermacher müssen wir uns noch einmal anstrengen. Die kleine Reiseespressomaschine funktioniert ganz ohne Strom. Den nötigen Druck für eine ordentliche Crema erzeugen wir deshalb mit Muskelschmalz. Schon der erste Schluck, inmitten dieser dramatischen Bergkulisse lässt ahnen: Im Fürstentum Liechtenstein wird feine Lebensart gerne auf die Spitze getrieben. In diesem Fall auf die Alpspitze.
Die Reise wurde unterstützt von www.tourismus.li und www.myswitzerland.com
Route: Gaflei – Bargella – Bargellasattel – Alpspitze (1944m) – Bargella-Jagdhütte – Bargellasattel – Gaflei
Gehzeit: ca. 3:30 h
Höhendifferenz: ca. 500m Distanz: ca. 5km Diese Reise wurde unterstützt vom Tourismusverband Liechtenstein www.tourismus.liInformationen:Wie kommt man hin: Liechtenstein ist gut mit dem Zug erreichbar. Mit der Bahn bis Lindau am Bodensee. Von dort ein kurzes Stück mit der S-Bahn nach Bregenz auf die österreichische Seite. Je nach Vorliebe mit Bus oder Bahn bis Vaduz.Über den Link www.wanderwege.llv.li können über 180 Wanderwege in Liechtenstein in elektronischer Form und kostenlos abgerufen. Tipps Tourenvorschläge gibt auch der Liechtensteiner Alpenverein unter www.alpenverein.liWichtige und aktuelle Informationen, wie Wegsperrungen, Sicherheitstipps oder Markierungsarten sind über www.awnl.llv.li, dem Internetauftritt des Amtes für Wald, Natur und Landschaft, abrufbar.