Zur Martinsgans an den Neusiedler See

Man möchte einfach dasitzen, auf den See schauen und den letzten Rufen der Vögel lauschen. Langsam verklingt ihr Krächzen, Fiepen und Gurren, das Kreischen und Schnattern in den Nebelschwaden, die sich allmählich über den beeindruckenden Schilfgürtel rund um den Neusiedler See senken. Im dichten Dunst scheint sein trübes Wasser am Horizont im Grau des Herbsthimmels zu verschmelzen. Dann bricht die Sonne durch. Was für ein Schauspiel am Neusiedler See.

Das Burgenland hat es in sich. Auch im Herbst. Österreichs jüngstes Bundesland hat nicht nur die meisten Sonnenstunden im Jahr. Es ist auch kulinarisch große Oper. Einige der besten Weine kommen vom Neusiedler See. Und seine Küche ist eine Liaison, aus feiner österreichischer Kochkunst und einem Hauch Puszta, der seit ewigen Zeiten über die pannonische Tiefebene weht.

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Weinkeller in der Kellergasse in Purbach am See. Foto: Tourismusverband Purbach

Daran konnte auch der „Eiserne Vorhang“ nichts ändern, der die Region lange beherrschte. „Wir haben kulinarisch immer schon auf beiden Seiten gelebt“, sagt Klaus Sommer von der Weinkantine. In Mörbisch am See führt er seine kleine Greißlerei Dió, mit exzellenten Weinen aus dem eigenen Weinberg und erlesenen hausgemachten Pesti, Pasteten, Traubensaft, Tresterbrand oder frischen Wallnüssen. In der Casa peiso, gleich neben der Greißlerei wohnt man „original pannonisch“ in zweistöckigen Suiten, die so schöne Namen tragen wie Storchenblick. Auf der anderen Seite des Sees, in Sopron und Budapest führt er seine Restaurants.

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Weinkantine Dió in Mörbisch am See.

Hier an den Ausläufern der Ostalpen haben die Menschen sich wenig um Grenzen geschert. Am wenigsten an den Kochtöpfen. Auch wenn die Beziehung zum Nachbarland Ungarn in den letzten Jahren etwas abgekühlt ist. Die Geschichte hat ihre kulinarischen Spuren hinterlassen. Und die Weite dieser einzigartigen Steppenlandschaft am Fuße des Leithagebirges ihre, in der offenen Gastfreundschaft. Nirgendwo ist Österreich so anders als Österreich, wie im Burgenland. Ein grenzenloses Paradies für Naturliebhaber, Individualisten, Vinophile und Genießer.

Die Gänse und der Heilige Martin

Jetzt im Herbst haben Reiher, Störche, Löffler und Graugänse ihre Sommerresidenz an Europas größtem Steppensee verlassen. Nur ein paar alte Störche kauern noch auf den Schornsteinen der Häuser, im nahe gelegenen Städtchen Rust. Wenig beachtet. Denn in dieser Zeit „kurz vor Martini am 11. November, schnattern die Gänse im Südburgenland am lautesten“ und seien überall im Land zuhören. So glauben viele Einheimische. Gut möglich, dass Sie ahnen, was ihnen blüht. Grund ist ihr legendärer Verrat am  Heiligen Martin. Der Legende nach wollte das Volk St. Martin zum Bischof machen. Der Landbursche aber hatte wenig übrig für das Leben im Bischofspalast und versteckte sich vor dem Episkopat in einem Gänsestall. Das laute Schnattern der Vögel verriet ihn. Seither landet, sozusagen zur Strafe, eine Gans zu Martini im Ofenrohr.

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Weidegans im Südburgenland. Foto: ®Neusiedler See Tourismus, steve.haider.com

Seit dem leichtsinnigen Verrat des Federviehs werden von Mörbisch am See über Oggau, Donnerskirchen, und Purbach am See bis Jois zu Martini in den Gasthäusern die Ofenrohre angeheizt.

Weniger sagenumwoben ist die historische Erklärung dieses kulinarischen Brauchtums: Die Kelten hielten Gänse als Haus-Wach- und Kulttiere. Am 11. November, dem keltischen Winteranfang war Hauptzinstag für die Bauern. Am Martinstag wurden Löhne bezahlt, Pachtverträge geschlossen. Es war auch der Tag an dem jene Tiere geschlachtet wurden, die man nicht durch den Winter füttern konnte. Dazu gehörten auch die Gänse. Lediglich ein einziges Zuchtpaar behielt der Bauer. So entstand die Tradition, vor dem Advent und trotz Fastenzeit, noch einmal ein großes Fest mit Gänsebraten zu feiern.

Ein feines Leben für die Martinsgans

„Bis dahin aber hatten die Gänse ein feines Leben“, versichert Gänsehirte Siegfried Marth aus Strem. So fein und zart wie ihr dunkles, fett- und wasserarmes Fleisch. Mit einem wehenden weißen Gewand und treuherzigen Blick, streift er über die Ruster „Gansl-Party“ und macht Werbung für seine gefiederten Freunde. Bei Siegfried Marth zupfen sie Gras und bekommen zusätzlich hofeigenes Getreidefutter. „Sie laufen 26 Wochen lang auf den Wiesen herum, den ganzen Tag“, sagt er.  Nachts schlafen sie in Ställen auf warmem Stroh. „Artgerechter kann man sie nicht halten.“ Ihre Artgenossen aus den Mastbetrieben hocken 12 Wochen im Stall. Dann ist es vorbei.

Fast 400 Jahre lang haben die Burgenländer Gänse gezüchtet. Das bestätigt das Burgarchiv in Güssing. Auch von den Großeltern kennt Marth die Geschichten über Gänsehirten, die das schnatternde Kleinvieh durchs Dorf trieben. Mit dem Wohlstand verschwanden die winzigen Zuchtbetriebe. Erst vor wenigen Jahren kamen sie zurück. 19 Biozüchter haben sich zusammengeschlossen. Auf den Wiesen im Südburgenland weiden heute wieder 4000 Gänse.

Ruster „Gansl-Party“

In Rust und vielen anderen Dörfern wird die wiederbelebte Tradition gefeiert. Die ganze Stadt hat sich auf dem beschaulichen Marktplatz versammelt. Das malerisch herausgeputzte Freistädtchen hat sich für die „Gansl-Party“ noch einmal schick gemacht. Mit einer Lichtinstallation auf den Fassaden der bunten Dorfhäuser und einer kleinen Bühne, von der mal Opernarien und mal schottische Dudelsäcke erklingen. Die Stimmung ist ausgelassen. Das liegt nicht nur am warmen Herbstabend, sondern auch an dem ein oder anderen Glas Wein. Denn zu Martini werden überall im Burgenland auch die neuen Weine verkostet.

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Ruster „Gansl-Party“

Der Duft von knusprigem Gans-Döners mit Kraut und Chili breitet sich aus. Die ungewöhnliche Spezialität stammt von einem echten Schwergewicht unter den österreichischen Haubenköchen. Max Stiegl, Küchenchef im Gut Purbach am Neusiedler See macht aus dem Wappentier des Burgenlandes ganz besondere Genüsse. In seiner Küche vereinen sich französische Elemente mit burgenländischer Tradition. Eine Mischung, der man nur schwer widerstehen kann. Und weil er gerne experimentiert, gibt es die Gans auch mal von der Dönerstange oder mit einer leichten asiatischen Note. Gans-Kokossuppe oder Gänseleberpastete, die auf der Zunge so zart zergeht wie die flüchtige Erinnerung an einen großen Duft.

Gut Purbach in Purbach am See. Foto: Flora Jädicke
Gut Purbach in Purbach am See. Foto: Flora Jädicke

Haubenküche und Martinsgans

Aber das Burgenland hätte es nicht in sich, wäre er der einzige, der die pannonische Küche jung und frisch interpretiert. Zu den kulinarischen Schätzen des Burgenlandes gehört ganz ohne Zweifel das Restaurant und Hotel Taubenkobel mit der angeschlossenen Greißlerei Taubenkobel in Schützen. Mit seinen 18 Gault Millau Punkten gerört es zu den besten Restaurants Österreichs. Barbara Eselböck hantiert hinter in der Theke in der gemütlichen Greißlerei, die bis unter die Decke voll ist mit regionalen Köstlichkeiten, mit dem neuen Wein vom familieneigenen Gut Oggau und serviert köstlichen Speck vom Mangalitza Wollschwein.

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Vom „Staubingen“ zum „Heurigen“

Im November schmoren nicht nur die Gänse in den Bratröhren. Zu Martini wird aus dem „Staubigen“ auch der „Heurige“. Wie einst ziehen die Weinbauern, nach der Ernte im Herbst, von Ort zu Ort und verkosteten in den Kellern und auf den Weingütern den neuen Wein. Mit einer feierlichen Weintaufe geben die Winzer seit jeher so den neuen Wein zur Verkostung frei. Und erst jetzt darf mit ihm angestoßen werden. „Prost!“

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Weinkeller in der Kellergasse in Purbach. Foto: Tourismusverband Burgenland

Entlang der Kellergasse in Purbach gibt es viel burgenländische Winzerromantik in den alten Kellergewölben und eine der modernsten Vinotheken Österreichs. Im „Haus am Kellerplatz“ kann man beinahe jeden Wein probieren, der in den weitläufigen Weingärten rund um den Neusiedler See wächst. Blaufränkischer, Grüner Veltliner oder Weißburgunder, mit fruchtigen-mineralischen Noten. Zwischen den Rebgärten blühen Kirschbäume, Adonisröschen und Schwertlilie.

Weingarten Nordburgenland. Foto: Burgenland-Tourismsus, Lukan
Weingarten Nordburgenland. Foto: Burgenland-Tourismsus, Lukan

Und der Neusiedler See mit seinen schilfbewachsenen Ufern und fast mystischen Aura liegt mitten im grenzüberschreitenden Naturpark, den die UNESCO 2001 zum Weltnaturerbe erhob. Man möchte einfach nur sitzen und verweilen, schmecken und staunen.

Diese Reise wurde unterstützt von Burgenland-Tourismus.

Anreise: Mit dem Auto über die A33/44 und A3 über Nürnberg, Wels und Wien nach Rust am See.

Hotel: Das Seehotel Rust liegt direkt am Neusiedler See. In gemütlichen Doppelzimmern nächtigt man je nach Saison ab 108 Euro. Im Einzelzimmer ab 124 Euro. www.seehotelrust.at

Original pannonisch wohnt man bei Gastgebern der Vereinigung „Pannonisch Wohnen“ zum Beispiel in den Suiten der Casa peiso in Mörbisch ab 75 Euro für zwei Personen pro Nacht. www.casapeiso.at, auf dem Gut Purbach für 78 Euro www.gutpurbach.at und im Taubenkobel im Doppelzimmer  für 80 Euro pro Person, www.taubenkobel.com Infos auch unter www.pannonisch-wohnen.at

Kulinarik-Festival „Gans Burgenland“: Von Ende September bis in den Dezember dreht sich im Burgenland alles um die Gans. Mehr als 30 Veranstaltungen stellen die Gans in den Mittelpunkt. Mit dem Festival wollen Gastronomen, Hoteliers, Produzenten regionaler Spezialitäten und Kulturinstitutionen die Gänsetradition im Burgenland neu beleben.

Informationen zu allen Veranstaltungen und zur Burgenland Card unter: www.burgenland.info

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