Wie wäre es mal mit Traubenlesen, statt Wandern und Radfahren? Am Besten alles zusammen. Nirgends geht das so gut wie in Hagnau am Bodensee beim „Wimmeln“.HAGNAU/BODENSEE. Der Nebel zieht einen zarten Film über das idyllische Winzer- und Fischerdorf Hagnau am Bodensee. Erntehelferin Thea Baumann zuckt längst nicht mehr zusammen, wenn die Böller durch die Reihen der Rebstöcke dröhnen. „Die schrecken nur die Stare auf“, erklärt Winzerfrau, Gabriele Megerle die etwas rabiate Methode. Jetzt zur Erntezeit, freuen sich eben nicht nur die Weinbauern über dralle Trauben. Auch die Vögel lieben die süßen Früchte „Wenn wir sie gewähren lassen, bleibt von der Ernte wenig übrig“, fürchten die beiden Frauen.
Wimmeln macht Ferien erst richtig schön
Seit Tagen „wimmeln“ sie emsig. So nennen die Hagnauer Winzer die Weinlese 450 Meter über Deutschlands größtem See im Dreiländereck zwischen Österreich und der Schweiz“. Ohne „Wimmeln“ wäre der Urlaub nur halb so schön. „Natürlich kann man eine Radtour um den See machen“, sagt Thea. Oder auf „Hansjakobs Spuren“ durch die Weinberge streifen.
Aber eine Weinlese vor solch einer Seekulisse, die macht die Ferien doch erst richtig schön“, sagt Thea und kneift die Reben fachmännisch zwischen Grün und Holz ab. „Warum also nicht stilecht beim Winzer wohnen und im Weinberg mit anpacken?“, fragt sie und gerät ins Schwärmen „Diese Natur, der See, die ruhige Arbeit, das ist doch meditativ“. Daran ändert auch der Warnschuss für die Stare nichts. Das „Schwäbische Meer“ mit seinen Weinhängen, dem kann sie einfach nicht widerstehen. Hier von den sonnigen Südhängen am Nordufer des Bodensees kommen seit Jahrhunderten die besten Weine der Region. Ein Jahr ohne ‚Wimmeln‘: Undenkbar für Thea.
Zügig muss die Lese gehen. Denn das Seewetter ist launisch. Jede Minute zählt. Trotzdem: „Naschen ist erlaubt“, sagt sie und mümmelt genüsslich die Rebenbeeren. An den sonnenverwöhnten Hängen werden die Trauben von Müller-Thurgau, Blauer Spätburgunder und Grauburgunder angebaut. Prall und saftig sind sie im Oktober. Eine nach der anderen landet in den Bottichen der Erntehelfer. Bei der Qualitätskontrolle im Hagnauer Winzerverein werden diese, stolze 90 Öchslegrad zeigen. „Ein Spitzenwert“, findet der Chef der Weinbaugenossenschaft Karl Megerle. Im Keller der ehemaligen Hofmeisterei des Klosters Weingarten rieifen sie dann zu den besten Hagnauer Tropfen heran, in riesigen Holzfässern.
Sicher ist beim „Wimmeln“ nichts. Deshalb empfiehlt Megerle weder auf Radfahren noch auf Wandern zu verzichten. „Wenn das Wetter nicht mitspielt“, sagt er, „dann wird es nichts.“ Da kann es passieren, dass die Winzer morgens früh zwei Stunden in die Reben müssen. Megerle weiß: Viele Urlauber schlafen, gerne aus. Er rät: „Wer im Weinberg ‚wimmeln’ will, der fragt am Besten direkt beim Winzer nach.“ Wo man Urlaub beim Winzer machen kann verrät der Winzerverein auf seiner Homepage.
Auf keinen Fall sollte man eine der Weinproben mit Kellerführung versäumen, sagt Thea. Zwischen den historischen Holzfässern Keller der ehemaligen Hofmeisterei des Klosters Weingarten erklärt Megerle den Werdegang des Weins, sein Terroir und die traditionellen Hagnauer Rebsorten.
Leichte und feine Struktur
Die Seeweine beeindrucken durch eine leichte und feine Struktur. Davon kann man sich bei einer Weinprobe im neuen Winzerhaus überzeugen. „Der Müller-Thurgau, rassig, duftet nach Muskat und feiner Frucht. Die traditionelle Spezialität des Hagnauer Weins ist der Blaue Spätburgunder. Herzhaft und elegant wird er als Weißherbst gekeltert. Duftig ist der Bacchus, stoffig der Kerner. Der Ruländer kräftig und wie der Weißburgunder, zart-nussig und mineralisch.“ Die Hagnauer Winzer finden für jeden ihrer Weine eine genüssliche Beschreibung. Und die frische Bodenseeluft macht Lust jeden einzelnen zu probieren.
Retter der Winzer – Heinrich Hansjakob
Dass sie noch heute in Hagnau Wein anbauen, verdanken die Winzer Dr. Heinrich Hansjakob. 1881 gründete der Pfarrer und Bürgerrechtler den Winzerverein und rettete die Zunft vor bitterer Armut. So blieb die Weinbautradition am Seeufer erhalten. Vom Bistum Freiburg war der „Rebell im Priestergewand“ als Seelsorger in das kleine Dorf abgeschoben worden Zu sehr hatte er sich für die „niederen Schichten“ eingesetzt. Bis heute wird der schillernde Pfarrer in Schriften, Büchern, Statuen, in Straßennamen und Gedenksteinen geehrt.
Infos: Alle Anbieter „Urlaub beim Winzer: www.wv-hagnau.de