Die Schöne und das Biest – im Schlick von Fanø

Dänemark:  Im Land an der Nordsee ist alles anders. Während man andernorts ein Vermögen zahlt für Austern, liegen sie hier einfach im Watt vor Fanø.

„Das ist ein echtes Biest“, sagt Jesper Voss, der „Austernkönig von Fanø“. Handtellergroß schillert die Delikatesse schwarz, silbrig und glänzend aus dem Schlick des süddänischen Wattenmeers hervor. Vor der Insel Fanø versteckt sie sich in einer Mischung aus Wasser, Sand und Schlamm.

Frische aus des Süddänischen Watt.
Frische aus des Süddänischen Watt. Foto: Flora Jädicke

Unverwundbar erscheint sie. Weder minus fünf Grad Celsius noch Temperaturen über 40 Grad können ihr etwas anhaben. Kein Seevogel. Nicht Eiderente und Silbermöwe. Selbst der Austernfischer kapituliert vor der extrem harten Schale. Für die Auster ist das ein Glück. Für das Wattenmeer und seine Zugvögel ein Unglück. Längst ist die Übermacht der Auster in Europas vielseitigstem Lebensraum zur Bedrohung geworden.

Das Bist von Fanø – die patzifische Auster

Unter dem  beeindruckenden Namen „Crassostrea gigas“ erobert die Pazifische Auster seit Mitte der 90er Jahre das dänische Wattenmeer. Ihr einziger Feind: Naturberater Jesper und seine Prozessionen von Schalentierfreunden, die mit ihm auf Austernraubzug durch das Watt an der Ostküste von Fanø ziehen. Nein, ein paar mehr sind es schon.

Austern öffnen ist eine Kunst
Austern öffnen ist eine Kunst. Foto: Flora Jädicke

Denn längst hat sich herum gesprochen, dass Fanøs Küste ein Paradies ist für Genießer. 12 000 Tonnen der beliebten Delikatesse soll es geben. Fleischig, kernig und schmackhaft. Austern, einfach so. Frei Haus. Für das kleine Luxus-Dinner in einem der schmucken Ferienhäuser in Nordby, Rindby, Sønderho, Dänemarks schönstem Dorf oder direkt am Strand zwischen Strandgras und Heidekraut.

Des Königs Austern vor  Fanø

Eine nach der anderen holt das Dutzend Austernjäger aus dem  Schlamm. Wer ausgerüstet ist mit Messer und Handschuh, der kostet die Kleinen gleich vor Ort. Schlurp – und weg ist sie. Frischer geht es nicht und günstiger auch nicht. Aber nicht immer war die Auster frei. 1587 ließ König Frederik II., seinen alleinigen Anspruch auf  Dänemarks Austern verkünden. In Europas Adelshäusern hatte das Schalentier Karriere gemacht, war das Austernessen modern geworden. Der König wollte stets genug Austern haben – und ließ jeden mit dem Tode bedrohen, der sich erdreistete, des Königs Austern aus dem Watt zu sammeln. Erst als das Austernrecht 1676 auf Hans Schack vom Gut Schackenborg in Südjütland überging, verkaufte dieser die Rechte an verschiedene Kaufleute. Heute vergibt der dänische Staat Lizenzen für gigantischen Austernmengen entlang der jütländischen Westküste von Limfjord, Horsens Fjord über Isefjorden bei Kalundborg bis zur Insel Lageland.

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Austernkönig Jesper Voss im Watt vor Fanø. Foto: Flora Jädicke

„Das sind wirklich Giganten, seht sie Euch an“, sagt Jesper und legt sie zu dem gut ein Dutzend Austern in den Eimer. Übersät mit Miesmuscheln, die unter ihrem mächtigen Wirt längst aufgegeben haben und nur noch als leere Schalen mit ihm verbunden sind, liegen sie knapp unter der Oberfläche des Schlicks. Ausgerechnet im teuren Dänemark muss man sich für das Luxus-Mahl nur bücken. Eimer um Eimer füllt sich. Es gibt mehr als genug und die meisten sind größer als erwartet. Zwölf Liter Meerwasser filtert die pazifische Auster pro Stunde. Zig Mal so viel wie die kleine europäische Schwester. „Die Schöne“, die elegante und hellere Auster ist weiter im Norden im Limfjord zu Hause ist. „Ostrea edulis“ schafft gerade mal 20 Liter in 24 Stunden.

Mit fetter Beute in den Dünen von Fanø
Mit fetter Beute in den Dünen von Fanø. Foto: Flora Jädicke

Im Hafen von Esbjerg, im Osten auf dem Festland hüllt Nebel die gewaltigen Montageschiffe der Windkrafträder ein. Er kann das Watt schnell in schwieriges Terrain verwandeln. „Wenn Du Deinen Nachbarn noch siehst, ist die Lage nicht aussichtslos“, sagt Jesper. Aber Nebel, Priele und Strömung können tückisch sein. Jesper empfiehlt deshalb  geführte Austernsafaris. Die Flut hat sich bereits auf den Weg gemacht und die Gummistiefel sinken tief ein in dem silbrig glitzernden Schlick. Die Eimer sind prall gefüllt. Damit könnte man ein Bankett versorgen. Doch gesammelt werden darf nur für den Eigenbedarf. Für den anschließenden Austernschmaus hat Jesper sich etwas Neues überlegt.

Einfach köstlich! Austern vom Grill mit Kräuterbutter und Parmesankäse.
Einfach köstlich! Austern vom Grill mit Kräuterbutter und Parmesankäse. Foto: Flora Jädicke

Austern mit Zitrone – das kann jeder. Wie wäre es mal mit Erdbeere und Limette? Oder vom Grill? Einfach köstlich! Zurück am Strand kann das Freiluft-Dinner beginnen. Keine leichte Sache, eine Auster zu knacken. Jesper hat inzwischen den Gasgrill angefacht und einen Weißwein eingeschenkt. Die ersten dicken Austern knuspern unter Kräuterbutter, Schinken und Parmesankäse auf fauchenden Flammen. „Je länger Du sie auf dem Grill lässt, desto weniger schmeckt sie klassisch nach Auster“, sagt er. Ideen für Rezepte hat der Austernkönig von Fanø genug.

Jamie Oliver und Austern von Fanø

Irgendwann soll aus ihnen ein Kochbuch werden. Hier zwischen den Dünen würde er gerne mit Jamie Oliver Austern grillen. Einen Koch und Journalisten vom Jamie Oliver Magazin hat die englische Kochlegende schon einmal geschickt, erzählt Jesper. „Der ist sofort auf den nächsten Sandhügel gehüpft und hat Heidekraut für das Feuer geschnitten.“  Räuchern geht also auch. Da können sogar die Austern-Novizen in der Gruppe nicht widerstehen. „Jede Auster, die auf dem Teller landet, ist gut für das Ökosystem im Watt“, sagt Jesper. In zehn bis fünfzehn Jahren, so fürchtet er, könnte die pazifische Auster der europäischen auch im Limfjord den Garaus machen.

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Fischer Svend Bonde kann sich den Limfjord ohne die europäische Auster nicht vorstellen. Foto: Flora Jädicke

Oben am Fjord, in Nykøbing, sieht man die Sache anders. „Wir forschen und suchen nach Lösungen“, sagt Prof. Kjerulf Petersen vom Dansk Skaldyrcenter (dänisches Schalentierinstitut) der Universität Dänemark. Er hält nichts von der Theorie, die Pazifikauster sei über Ballastwasser eingeführt und durch den Klimawandel heimisch geworden. „An der Nordseeküste werden Austern seit mehr als 40 Jahren gezüchtet“, sagt Petersen. Sie wurden angesiedelt, weil die europäische Auster von der Krebspest fast ausgerottet war.

Das Austernparadiese Fanø und Limfjord

Das Austernparadies vor Fanø ist also der Nachwuchs ausgebüxter Larven aus den Austernfarmen.  Auch Fischer Svend Bonde, der von der Auster im Limfjord lebt und sie über Glyngøre Shellfish in die ganze Welt exportiert, glaubt nicht Recht an den Sieg des „Biestes“ von Fanø über „die Schöne“ aus dem Limfjord. Aber etwas unruhig ist er gelegentlich doch. „Sie forschen. Ja, ja“, sagt er. „Aber ganz egal, was sie tun, die Limfjord-Auster hat ihr eigenes Leben. Sie macht, was sie will.“

Die pazifische Auster und die europäische ursprünglich in der Nordsee heimische Auster (rechts im Bild)
Die pazifische Auster und die europäische ursprünglich in der Nordsee heimische Auster (rechts im Bild). Foto: Flora Jädicke

Auf dem Teller landet auch sie. Nussig, fein und fest. Nur kostenlos ist sie nicht, wie die Konkurrentin von Fanø. Köstlich sind sie beide – die Schöne und das Biest.

Die Reise wurde unterstützt von der Tourismuszentrale Dänemark, Internet: www.visitdenmark.de

Und von der Destianation Sydvestjylland: www.sydvestjylland.com, vom Das Fanø-Tourismusbüro: www.visitfanoe.dk, dem Tourismusbüro Skive: www.visitskive.dk, und von Tourismusbüro Mors: www.visitmors.dk

Tour-Tipp: Austern-Saison ist von Ende September bis Ende April. Beste Fundstelle für Fanø-Austern ist Halen, wo man bei Ebbe gut zu den Austernbänken gelangt.

Das Fanø-Tourismusbüro www.visitfanoe.dk bietet Touren mit Verkostung an. Europäische Austern bezieht man am besten über Glyngøre Shellfish  www.danishshellfish.com .

Anreise-Tipp: Direktflüge von München nach Kopenhagen ab 163 Euro return (www.fluege.de). Für rund 52 Euro fährt man mit dem Zug weiter bis Esbjerg. Die Überfahrt zur Insel Fanø dauert nur wenige Minuten und kostet ab 6 Euro.
Hotel-Tipp: In Skive direkt am Limfjord liegt ruhig das Hotel  Strandtangen www.strandtangen.com. Man übernachtet für rund 138 bzw. 167 Euro im Einzel- bzw. Doppelzimmer. In den Apartments oder kleinen Bootshäusern schläft man je nach Saison und Wechselkurs für 77 bis 157 Euro.
Ferienhaus-Tipp: Ferienhaus auf Fanø: Danibo – Fanø  Sommerhäuser www.danibo.dk , Haus 00990 ab 710 Euro/Woche, weitere Häuser ab 310 Euro.
Restaurant-Tipp: In Skive isst man vorzüglich im Gourmet-Restaurant Strandtangen www.strandtangen.com

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