Sechs Traumpfade durch die Serra de Tramuntana. Am Ende wird Mallorca alpin, am Puig de Galatzó, mit seinen gigantischen Felsgeröllhalden und wildem Carritx.
Der Aufstieg beginnt oberhalb des malerischen Bergdorfs Galilea. Über uns bizarre Felsformationen, unter uns die mediterrane Magie des Mittelmeers.
Nirgendwo ist Mallorca so wild, so romantisch und so aufregend, wie an seiner Westküste. „Wer das Paradies aushalten kann, der muss nach Mallorca kommen“, soll die Schriftstellerin Gertrude Stein einmal gesagt haben. Gut dachte ich; das war vor Bettenburgen und Partytourismus. Aber einen Versuch ist es wert. Mehr als einmal hatte ich gehört: Auf der größten Baleareninsel soll alles ganz wunderbar sein, wenn man nur am rechten Ort ist.
Von Spaziergang bis Gipfelglück
Die Serra de Tramuntana muss einer dieser Orte sein. Sechs Touren liegen in den nächsten Tagen vor uns: Von Spaziergang auf der Trockenmauerroute bis Gipfelglück am Galatzó.
Mit Wanderführer Hendrik Uhlemann von der Alpinschule Innsbruck (ASI) erkunden wir eine der schönsten Regionen Mallorcas. Gut 90 Kilometer lang und 20 Kilometer breit erstreckt sich das Gebirgsmassiv nahezu an der gesamten Westküste. Für Hendrik Uhlemann wurde die uralte Terrassenlandschaft der Araber längst zur Heimat.
Egal ob auf dem exzellent beschilderten GR221, der Trockenmauerroute zum Künstlerdorf Deià oder auf den Spuren des Habsburger Erzherzogs Ludwig Salvator, die über den Höhengrat nach Valdemossa führen: Die Landschaft steckt voller Geschichte und Geschichten. Frédérik Chopin und George Sand waren hier und verbrachten ihren berühmten „Winter auf Mallorca“. Schon damals galt die Insel als Paradies des Südens.
Dennoch war das Leben in den Siedlungen im Schatten der Steineichenwälder hart. Die alten Versorgungswege führen zu Köhlerstellen und Schneehäusern, zu Oliven- und Obstplantagen. Der Duft von wildem Rosmarin steigt auf. Die Sonne lässt die Blätter alter Olivenbäume silbergrün schimmern, dazwischen Pinien und Johannisbrotbäume, pralle Orangen- und Zitronenbäume.
Vom Coll de Biniamar wandern wir an einem Tag in die Cala Tuent bis in die Cala de sa Calobra. Immer an Küste entlang. 400 Meter tief stürzt sie in die Fluten des Mittelmeers. Aus der wildromantischen Bucht Cala de sa Calobra führen zwei Wege zurück nach Sóller. Einer davon mit dem Schiff. Wir nehmen den Bus und fahren über eine der spektakulärsten Serpentinenstraßen der Welt, die MA-2141. Im Baranc d’ Biniaraix, einem ursprünglichen Dorf nahe Sóller folgen wir tagsdarauf über 2000 Stufen hinweg den Spuren der Pilger.
Der Puig Galatzó ist unsere letzte Tour durch die Serra de Tramuntana. Sie ist mit Abstand die alpinste Strecke.
Wir schnüren früh die Stiefel. Von Puigpunyent, einem kleinen Ort am Fuße des Puig Galatzós gehen wir steil bergan. Der Weg zur Finca Son Fortuny ist gesperrt. 90 Prozent der Serra Tramuntana sind auch heute noch Privatbesitz. Die Fincabesitzer profitieren vom Weltnaturerbetitel wenig.
Kein Welterbesegen für die Fincas
„Bei ihnen bleiben die Auflagen hängen und bei den Hotelbesitzern das Geld“, erklärt uns Hendrik. Das sorgt für Unmut und so muss nun ein Gericht darüber entscheiden, ob ein Teil des legendären GR221 gesperrt bleibt oder ob die Tore für die Wanderer wieder aufgehen. „Ein freundliches Bondia schadet nie“, sagt Hendrik.
Wir nehmen die Alternative und stapfen über den Schusterpass Coll d‘ Sabaterra. Über dem Pass faucht ein kräftiger Wind und das Wolkenballett über uns wechselt seine Choreographie im Sekundentakt. Waren die Wanderungen bisher eher sportliche Spaziergänge, so muss jetzt jeder Schritt im Gelände sitzen.
Hinter dem kleinen Plateau sehen wir den Vorgipfel des Puig Galatzó in den Himmel stechen. Für einige fällt hier die Entscheidung für den Abstieg. Langsam und entspannt. Der Rest der Gruppe will zum Gipfel. Gut 25 Minuten liegen noch vor uns. Mit jedem Meter Höhe durch die steile Felsrinne weichen Rosmarin, Wacholder, Zistrose oder Fackelkraut einer Geröllhalde aus klobigem Fels. Lediglich die stacheligen Nonnenkissen und das zähe Corritx, begleiten uns bis zum Gipfelkreuz auf 1026 Metern Höhe. Hier wird Mallorca alpin.
Die Hände greifen immer öfter nach den Kanten und Fugen im Fels. Auch das widerspenstige Dissgraß wird auf den letzten Metern zur Aufstiegshilfe. „Das reißt keiner aus“, sagt Hendrik. „Greif zu!“
Der Puig Galatzó ist einer der letzten 1000der Gipfel im Süd-Westen der Insel. Hier hält man das Paradies prächtig aus. Unter uns liegt Estellencs, ein kleiner Ort jenseits der Touristenströme, in dem wir die hervorrangende mallorquinische Küche genießen. Vom Gipfel blicken wir weit in die Bucht von Andratx und auf den schneebedeckten Puig Major. Mallorca ist ein Paradies, ist ein Paradies, ist ein Paradies, ist ein Paradies, würde Gertrude Stein wohl an dieser Stelle gesagt haben. Wie Recht sie doch hätte!
Diese Reise wurde unterstützt von der Alpinschule Innsbruck, TUIfly und dem Hotel Es Port
www.asi.at; www.tuifly.com; www.hotelesport.com
Erschienen auch in der Mittelbayerischen Zeitung.