Posidonia. Die Seegraswiesen vor Fomentera. Foto: Tourismus Formentera

Posidonia – Die „Natur-Ingenieure“ vor Formentera

Touristen lieben die spanische Balearen-Insel vor allem wegen des Tauchens in glasklarem Wasser. Das ist einer einzigartigen Pflanze zu verdanken, für deren Schutz viel getan wird. Auch Besucher sollen für den Schutz der  Posidonia sensibilisiert werden.

Am Platja de Llevant ist dern Strand weit und fast menschenleer. Nur wenige genießen die noch sommerlichen Temperaturen. Jetzt Anfang Herbst ist die Sonne milder, gnädiger als in der Hochsaison, wenn auch auf Formentera Gäste und Insulaner die Mittagszeit lieber in den Häusern verbringen.

Die Gischt ist rau. Wellen schlagen kräftig auf den feinen Sand. Wie eine Mauer steht das Meer vor dem Horizont, als wolle es sich von den wenigen Sonnenhungrigen nicht in die Karten schauen lassen.

 

Auch drüben auf der anderen Seite der langgezogenen Nordspitze der Insel nicht. Am Platja de Illetas, wo das Meer ruhiger ist und die Strände voller sind. Nichts sieht man, als weiten feinen Sandstrand, und eine im Licht der Sonne mal silbrig schimmernde mal schäumende Wasserfläche.

Formenteras verborgene Schönheit

Dabei liegt dort draußen unter dieser Haut des Mittelmeeres Formenteras größter Schatz. Eine Meeresschönheit, voller Geheimnisse und ungeahnter Fähigkeiten. Posidonia! Wer? Wer ist Posidonia Oceanica? Diese Frage stelle ich Manu San Felix, einem ausgewiesenen Meeresbiologen und erfahrenen Taucher in Port de La Savina am Fuße der Halbinsel S’Espalmador.

Mit dem Mietwagen fahre ich keine 15 Minuten von der ebenso idyllischen wie weltläufigen Inselhauptstadt San Francesc de Xavier in den Hafen, auf der Suche nach der Posidonia.

Hauptplatz in San Francesc de Xavier. Foto: Flora Jädicke

„Ja, genau das ist der Punkt!“, sagt Manu San Felix. Ein Mann mit einem klaren Blick für das Wesentliche und inniger Leidenschaft für den Ozean. „Die Menschen kennen das Meer nicht“ sagt er. „Sie sehen nur selten seine Schönheit und Vielfalt. Und anders als an Land fällt ihnen so auch kaum auf, wenn etwas schiefläuft unter dieser Oberfläche.“

In der Nacht ist er spät von einer Forschungsreise in den Pazifik zurückgekehrt. Seit 2009 arbeitet der Fotograf und Unterwasserkameramann „Underwater Image Director“ für National Geographic und nahm im Rahmen des Projektes „Pristine Seas“ an mehr als 35 Expeditionen teil. Nach Formentera hat ihn die Posidonia geführt.

Posidonia ist Welterbe der Unesco

Jetzt sitzen wir auf der Dachterrasse seiner Tauchschule Vellmari. Eine von vielen im Hafen von Formentera, und doch ist sie weit mehr. Seine Liebe zum Meer und der für das Mittelmeer so bedeutenden Wasserpflanze Posidonia Oceanica begann vor mehr als 30 Jahren.

Marina mit der Tauchschule Vellmari. Foto: Flora Jädicke

Früh hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die Neptungraswiesen rund um Formentera und Ibiza zu schützen. 1999 wurden die Wiesen, die zum gemeinsamen Naturschutzpark Ses Salines gehören und mit 700 Quadratkilometern das größte zusammenhängende Neptungrasgebiet ist, zum Welterbe der Unesco erklärt. 85 Prozent des Meeresschutzgebietes zwischen Ibiza und Formentera sind Neptungraswiesen. Ein Habitat für unzählige andere Meeresbewohner.

Wie notwendig seine Arbeit ist, zeigen seine Forschungsberichte an die Unesco. Bereits ein Drittel der Seegraswiesen ist in den zurückliegenden 40 Jahren verloren gegangen.

Zu viele schlecht gefilterte Abwässer. Zu viele Schiffsanker, Müll und auch Erw.rmung des Mittelmeers haben dem Neptungras zugesetzt. Aber San Felix l.sst nicht locker. Gemeinsam mit seinem Team hat er die Posidonia-Map-App entwickelt. Das hat ihm einen Preis für nachhaltigen Tourismus eingebracht. Den gut 4.000 Seglern, die jedes Jahr an die Küsten von Formentera kommen, zeigt die App an, wo genau die Seegraswiesen am Grund liegen und wo sie nicht ankern dürfen. Noch vor wenigen Jahren waren es gerade mal 400 Segelboote.

„Underwater Gardeninig“ vor Formentera

San Felix kennt das Meer. Die Touristen unten an den Fähranlegern und auf den Booten will er für den Ozean begeistern. Deshalb entwickelte er neben der Tauchschule die Tauchcamps für Kinder und das Projekt „Save the Posidonia“ an dem auch Freiwillige und Urlauber teilnehmen können.

Eine Art „Underwater Gardening“. Im Frühjahr werden Samen gesammelt, aufgezogen und im Oktober werden die Setzlinge in den Meeresboden gesetzt. „Ich möchte, dass die Menschen das Meer lieben“, sagt San Felix. „Nur was man liebt, schützt man auch. Aber anders herum liebt man nur das, was man kennt.“

„Nur was man liebt, das schützt man auch“

Die Promenade von Porte de La Savina glänzt im Spätsommerlicht. Formentaris und Gäste schlendern über beigefarbenen, fast spiegelglatten Sandstein. Caf.s und Restaurants bieten Postkarten-Ausblicke auf das Treiben im Hafen.

Taucher packen ihre Boote. Es ist ein entspanntes Dasein in leichtem Leinentuch und Flip Flops, während der Rest Europas sich langsam in dicke Pullover hüllt. Von der cleveren Pflanze drauren im Meer, die die kleinste der Balearen-Insel erst zu diesem entspannten Naturparadies werden ließ, ahnen viele nichts.

Ich blicke hinüber zu den Fähren auf dem türkis- und azurblauen Ozean. „Zuweilen“, sage ich, „ gibt das Meer hier seine Geheimnisse aber doch preis.“ Das Wasser an den Küsten ist glasklar. Auch an tiefen Stellen blickt man wie durch eine Glasscheibe auf den Grund. Schöner als hier lässt sich Tauchsport und Schnorcheln wohl nirgendwo im Mittelmeer betreiben.

Foto: Tourismus Formentera
Foto: Tourismus Formentera

Ja!“, sagt San Felix. „Dieses herrlich saubere Wasser verdanken wir der Posidonia Oceanica. Formenteras verborgene Schönheit produziert durch Fotosynthese ständig enorme Mengen Sauerstoff, der das Wasser reinigt.

Formentera’s Neptungras ist ein CO²-Killer

Diese submarine Pflanze absorbiert 15mal mehr CO² als der Regenwald“. „Wie kann das sein?“, überlege ich. „Das Neptungras begräbt das CO² unter sich im Sand. Und anders als Blume setzt es nie wieder welches frei“, sagt San Felix. Keine Pflanze beseitigt mehr CO² als das Neptungras.

Die Posidonia Oceanica ist endemisch im Mittelmeer. Mit nahezu 80.000 Jahren ist sie die älteste Pflanze des Planeten. Alle Neptungraswiesen gehen auf eine einzige Pflanze zurück. Mit Wurzeln tief im Meeresgrund verankert, einem Stamm, Blüte und flachen Blättern.

„Sie ist die einzige Meerespflanze weltweit, die ein eigenes Ökosystem bildet“, erklärt San Felix. „Wegen dieser Fähigkeit, nennen wir sie auch Natur-Ingenieur.“

Foto: Tourismus Formentera

Das Riff vor Es Pujols im Norden der Insel ist mehr als fünf Meter hoch und nahezu 6.000 Jahre alt. Diese Wälle schützen die Küsten vor Erosion und drosseln die Kraft der Wellen, sodass Trübstoffe die das Wasser verunreinigen könnten, einfach herabfallen. „In den Neptungraswiesen leben zahlreiche Fische, Muscheln, Meeresschnecken, Seepferdchen und Manteltiere. Ihre Skelette sinken zu Boden und werden dort zu feinem Sand zermahlen. 80 Prozent der Strände von Formentera sind so entstanden. Das braucht Zeit.

Zeit die man auf Formentera hat. Trotz Tourismus ist die Insel noch immer eine Oase der Ruhe und Gelassenheit.“ Kein Ort ist hier länger als 15 Autominuten vom anderen entfernt, hatte man mir gesagt. Die Insel lässt sich also gut auch ohne Auto mit dem Fahrrad erkunden. Und auch die meisten Wanderungen über die Rutes Verdes, die grünen Routen, wirken wie ein Spaziergang.

Ich mache mich vom Hafen aus auf den Weg in den Osten der Südspitze von Formentera. Über kleine Straßen und enge Sandpisten gesäumt von alten Trockenmauern. An den Wegrändern wachsen Thymian, Heidekraut und Zistrosen. Es duftet nach Rosmarin und in den Gärten spenden gewaltige Feigenbäume Ziegen und Schafen Schatten

Hippies und „Zikaden statt DJs“

Diese Landschaft hat ihren eigenen wunderbaren Klang. „Der Sommer auf Formentera ist kaum zu überhören“, sagt Jose Antonio Ribas, der mich inzwischen auf meiner Suche nach der Posidonia begleitet. „Hier sind es Zikaden statt DJs“. Dort auf dem Meer ist es ein Rauschen und das Schmatzen der Wellen gegen die Segelboote.

Foto: Tourismo Formentera

Irgendwo da draußen, jenseits der üppigen Pinienhaine und schmucken Fincas wiegt sie sich sanft im Takt der Strömung. Ungesehen aber nicht unbeachtet.

Die Posidonia inspiriert die Insel

An Land begegnet man ihr in vielen Varianten. Auf Fotografien, als Firmenlogo, als stilisierter Kunstdruck in der Kunstsammlung des Leuchtturms Far de La Mola oder in Gold und Silber in der Schmuckkollektion des Künstlers Enric Majoral, der im noblen Ort El Pilar de La Mola seine Werkstatt hat.

 

Gleich neben dem kleinen Hippiemarkt. Jeden Mittwochabend bei Kunsthandwerk und Livemusik weht hier der Geist der 70er- Jahre, als die Insel noch ein unbeschriebenes Blatt war, und die Kinder wohlhabender Deutscher an den Stränden und unter den Augen verwunderter Insulaner den Aufstand gegen die „spießige Welt“ der Eltern probten. Gut gepampert durch dicke Schecks haben sie die Insel geprägt wie die Posidonia das Land, das Meer und die Menschen hier.

In Roca de s’Algo treffe ich endlichauch auf Posidonia. Ein dickes Polster
abgestorbener Blätter, silbern glänzend. Die Blüten wirken wie festgezurrte
Gamsbarte oder Federn. Der Strand ist übersät mit kleinen beigefarbenen Bällen und Kissen. Die Einheimischen nutzen sie, um das Wasser in den Blumentöpfen zu speichern. Die Posidonia-Blätter sind extrem jodhaltig und damit sehr sauber.

Die Alten verwendeten sie als Dämmmaterial für die Dächer der traditionellen Häuser. Die Posidonia ist so vielseitig wie Formentera selbst. Klein, fein und voller Überraschungen. Ich sitze am Strand und lasse mich betören vom Klang der Wellen und dem Duft von Rosmarin. Irgendwo da draußen wiegt sich die Posidonia im Auf und Ab der Wellen. Mein Herz wiegt sich mit. Ein wenig Kitsch muss sein auf Formentera, das so ungewöhnlich ist wie sein größter Schatz die Posidonia.

Info:

Neben zahlreichen Fincas bieten kleine Hostals schöne und landestypische
Unterkünfte. Etwas mehr Luxus, und doch eine familiäre Atmosphäre bieten die Suiten und Villas von Apartamentes Paraiso de los Pinos am Playa Migjorn. www.paraisodelospinos.com

Der nahegelege Strand ist fußläufig erreichbar und gehört zu den ruhigsten
der Insel.

Tauchen mit Vellmari ist nicht nur ein exklusives Taucherlebnis. Vellmari bietet auch fundiertes Wissen über die Meeresbiologie rund um Formentera. www.vellmari.com

Überdies kann man sich an Projekten zum Erhalt der Neptungraswiesen beteiligen. Die Posidonia wird im Herbst meist im Oktober gepflanzt. www.asociacionvellmari.com

Anmeldemöglichkeiten unter:
www.asociacionvellmari.com/voluntarios

Im Herbst findet man auf der Insel weitestgehend leere Strände bei angenehmen Temperaturen. Durch die Insel führen 32 „grüne Routen“ und Rad- und Reitwege und entsprechende Anbieter.

Alle Informationen unter: www.formentera.es

 

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