Rund um Neukirchen am Großvenediger im Oberpinzgau lässt sich auf geführten Routen eine einzigartige Landschaft erkunden.
Ein Gastbeitrag von André Paul
Der Anblick hat einen Hauch von Kanada: Glitzernd im Licht der Nachmittagssonne liegt der Blausee am Rand von Neukirchen im österreichischen Pinzgau, auf den Bergen – darunter der 3657 Meter hohe Großvenediger, den der Ort als Namenszusatz führt – dahinter leuchtet an diesem Oktobertag schon der erste Schnee. Es ist eine perfekt wirkende Idylle – und doch spielen sich auf den zweiten Blick dramatische Veränderungen ab infolge des Klimawandels.
Von ihnen berichtet Werner Schuh, Berg- und Naturführer, der vor seiner Rückkehr in seine österreichische Heimat tatsächlich viele Jahre als Ranger in Kanada tätig war. An diesem Nachmittag führt er uns durch den Nationalpark Hohe Tauern und dokumentiert an vielen kleinen Auffälligkeiten, wie die Bedrohung dieses Idylls unablässig voranschreitet.
Immer mehr Tieren wird es deutlich zu warm
„Euch kommt der Blausee sicher kalt vor, und das ist er auch. Aber eben nicht mehr kalt genug, nicht wie in früheren Jahren“, erläutert Werner Schuh. Für die im und am Wasser lebenden Insekten ist es bereits deutlich zu warm geworden, ihre Zahl geht dramatisch zurück. Dadurch finden Vögel und Fische nicht mehr ausreichend Nahrung und ihr Bestand sinkt ebenfalls.“
Und auch andere Tiere leiden unter der unablässig voranschreitenden Erwärmung im Nationalpark: Murmeltiere und Gämsen, die sich zuletzt in immer höhere Lagen zurückgezogen haben – bis auch dort die Temperaturen nicht mehr tief genug für sie sind und die ebenfalls eine gewisse Kühle fordernden Pflanzen, ihre Nahrung, nicht mehr gedeihen. „Das komplexe Gleichgewicht aus Flora und Fauna ist endgültig aus dem Takt“, sagt Werner Schuh.
Doch das sind nicht die einzigen Indikatoren des rasant voranschreitenden Klimawandels. Das fast ein Jahrhundert alte Gipfelkreuz, verrät Werner Schuh, musste vor einiger Zeit demontiert werden. Der Permafrostboden, in dem es so lange fest verankert war, begann zu tauen – und es drohte umzukippen. Wenige Meter weiter sind die Folgen eines donnernden Moränenabgangs mit massiver Zerstörungskraft zu erkennen. Im Sommer treten immer häufiger starke Hochwasser auf.
Die traditionelle Pinzgaubahn, die Neukirchen mit der Kreishauptstadt Zell am See verbindet, ist infolge einer Unter- spülung der Gleise nicht mehr in Betrieb. Hintergrund: Die Wetterverhältnisse änderten sich inzwischen viel zu rasch, erläutert der Berg- und Naturführer. Wechsel, die früher Generationen umfassten, laufen inzwischen im Zeitraffer zwei kleine Buben, sieben und acht Jahre alt, rennen der Gruppe übermütig voran. Werner Schuh schaut ihnen liebevoll und wehmütig nach. „Wenn sie mal in meinem Alter sind, dann werden sie ihren Enkeln nur noch davon erzählen können, dass es in den Hohen Tauern einst Schnee gab – denn spätestens dann wird er ganzjährig verschwunden sein.“
Die beiden Buben sind die Kinder von Sonja Gassner, der Chefin des gleichnamigen Vier-Sterne-Superior-Wanderhotels, das als Ausgangsort für die Wandertouren durchs Oberpinzgau dient. Es ist ein gleichermaßen bodenständiggemütliches und mit anspruchsvollem Komfort überzeugendes Haus, das bereits in dritter Generation als Familienbetrieb geführt wird – mit der vierten in den Startlöchern. Die familiäre Atmosphäre ist vielfältig spürbar: an der herzlichen Ungezwungenheit ebenso wie an der Fürsorglichkeit; als der Badeausflug in den Blausee mit einer Verkühlung endet, bringt die schon seit Jahrzehnten im Hotel Gassner tätige Kellnerin Elisabeth dem hustenden Gast ganz mütterlich und unaufgefordert eine heiße Suppe auf die Terrasse.
Am Abend versammeln sich die Gäste in der eher an ein großes Wohnzimmer erinnernden Lobby, um bei Thomas Reitsamer gemeinsam einen unterhaltsamen Jodelkurs – samt abschließendem Diplom – zu absolvieren.
Annehmlichkeiten nach den Wandertouren
Die zahlreichen Wanderwege starten sprichwörtlich an der Haustür; alles was zur Ausrüstung notwendig ist – inklusive einer kostenlosen Brotzeit für unterwegs – erhalten die Gäste im Hotel. Neben dem Hauptgebäude können die Gäste für die Übernachtung auch ein gleich dahinter liegendes Baumhaus beziehen – in welchem man tatsächlich das Gefühl hat, inmitten der Wipfel zu nächtigen.
Zurück von den Wanderungen – zur Verfügung stehen diverse Routen in unterschiedlicher Länge und mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden – warten im Hotel diverse Annehmlichkeiten: eine Sauna mit Naturbadeteich zum Abkühlen und ein Innenpool, der auch für Schwimmer noch groß genug ist, um hier ihre regelmäßigen Bahnen zu ziehen.
Mehr Informationen unter:
www.oberpinzgau.de/nationalpark-hohe-tauern
www.hotel-gassner.at/de/das-baumhaus