Ferraria de São João – Frauen die auf Ziegen schauen

In den Bergen Portugals blüht der sanfte Tourismus. Gleichzeitig bleiben in den Aldeias do Xisto den Schieferdörfern Mittelportugals die Traditionen erhalten. Fatima ist eine der wenigen Frauen in Ferraria de São João, die noch Ziegen hüten und Käse von Hand machen.

Fatima ist eine zupackende Frau mit witzigen Augen. Sie ist Anfang vierzig. Ihr Dorf Ferraria de São João hat sie noch nie verlassen. Höchstens mal zum Einkaufen nach Lousã oder Coimbra. Die Ziegenhirtin hat keinen Grund zu gehen. Ferraria de São João ist ihr Leben und jetzt wo immer öfter auch mal Touristen kommen, ist auch im Dorf wieder mehr los. Fatima ist eine der wenigen Frauen im Dorf, die noch nach Ziegen schauen. „Mir gefällt das“, sagt sie. „Ich kenne nichts anderes.“

Das kleine Dorf im Hinterland zwischen Porto im Norden und Lissabon im Süden gehört zu den 27 Schieferdörfern den Aldeias do Xisto im Centro de Portugal. 15 Millionen Euro aus den Fördertöpfen der  Europäischen Union halfen, Abwanderung und Verfall zu stoppen, und die verlassenen und zertstörten Berweiler nach historischem Vorbild wieder aufzubauen.

 

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Fatima sammelt jeden Tag die Milch ihrer Ziegen für Käse. Foto: Flora Jädicke

In Ferraria de São João lohnt es sich wieder zu bleiben. 46 Einwohner leben wieder dort. Es waren einmal 120. Viele sind irgendwann gegangen, in die Städte. Manche von ihnen sind in die USA ausgewandert wie viele Einwohner im nahegelegenen Cerdeira. Sie gingen, um zu studieren oder einfach eine leichteres Leben zu haben. Weil die Natur zuweilen ein trutziger Geselle sein kann. Und ihre Früchte an manchen Orten nur  ungern hergibt. Dennoch war Ferraria de São João nie ganz verlassen.

Von Gästen und Ziegen in Ferraria de São João

„Aber Ziegen hüten, Mais und Kartoffeln anbauen und jeden Tag Esskastanien, das wollten viele nicht mehr“, sagt Pedro. Im Winter kann es bitter kalt werden und einsam. Diejenigen, die heute die einst verlassenen Bergdörfer wieder zum Leben erwecken, kommen  oft, gerade weil es so einfach ist. Weil das Leben hier so nah an der Natur ist, an den Elementen und den Tieren.

Ärzte, Anwälte, wohlhabende Lissabonner Künstler wie in Cerdeira oder IT Spezialisten wie Pedro Pedrosa. IT-Spezialist kam mit Frau und Kindern und macht sich für die Einheimischen stark. Fördert mit seiner Agentur für Outdoor Aktivitäten und den drei modernen Ferienhäusern ein sanftes Tourismuskonzept.

Ferraria de São João gedeiht allmählich. Viele der Einwohner bleiben, weil ihre Häuser noch intakt sind, anders als in vielen ehemaligen Geisterdörfern der Serra da Lousã. Weil sie noch immer ihre Ziegen hüten und durch die neuen, auch staatlichen und EU- Förderprogramme ein wenig  am Tourismus mit verdienen.

Ferraria de São João ist seit einiger Zeit eingebunden in ein staatliches Bildungsprogramm. Aus Coimbra kommen Grundschulklassen in die Berge und erleben, wie Oma und Opa in Portugal lebten. Schon  Fernando Pessoa behauptete Portugal, das sei Lissabon und ansonsten nichts als  Landschaft. In Ferraria de São João erleben Stadtkinder das ländliche und bäuerliche Portugal.

Ferraria de São João – Gäste und Einheimische

„Es bedeutet viel Überzeugungsarbeit“, sagt Pedro. Jeden Tag spricht er mit den Einheimischen. Nicht jedem sind die neuen Hausherren aus der Stadt geheuer. Aber nach und nach erkennen viele auch die Vorteile des Tourismus. Pedro bringt Gäste und Einheimische ins Gespräch in Käse- Kursen und beim gemeinsamen Brotbacken. Von 10 000 Gästen im Jahr 2010 seien die Übernachtungen in den Schieferdörfern bis 2014 auf 50 000 gestiegen, sagt Pedro. Das ist ein Erfolg für eine der ärmsten Regionen Portugals.

Und so kommt es, dass Fatima ihren Käse immer öfter unter den neugierigen Augen von Gästen oder Schulklassen macht. Wie jeden Tag geht sie auch an diesem Tag in den Stall zu den Ziege. Die sind mal zickig, mal nicht“, erzählt sie und lacht verschmitzt.  Der alte Ziegenbock wacht wie immer mit Argusaugen über die Prozedur und gibt lautstark seinen Kommentar dazu.  

„Manchmal büxen sie aus. Streifen durch die Eukalyptus-Wälder und kommen ganz plötzlich wieder zurück“, berichtet Fatima während sie mit sanftem Druck und Engelsworten die kleinen Ziegen überredet ihre Milch zugeben. Sie lacht viel und gerne.  „Hier passiert ansonsten nicht viel Aufregendes“, ergänzt Pedro seine Übersetzung. Ein paar Mountainbiker huschen durch den Ort. Mal einige Wanderer. Aber das wahre Gut ist die Ruhe.

Die frische Milch wird sofort zu Käse verarbeitet. Hundertfünfzig Ziegen gab es in dem Dorf einmal. Ein Drittel davon meckert noch heute fröhlich in den Wäldern und den winzigen Ställen. Ziegen gehörten in den Bergregionen Portugals immer schon zur Lebensgrundlage der Bauern. Die Zicklein wurden verkauft. Aus der Milch wurde Käse und die alte Ziege landete zumeist als Festbraten „der Chanfana“ auf dem Teller. 

Fatima hat inzwischen ausreichend Milch für ein paar Käse gewonnen. Im Dorfhaus wird die Milch ganz sachte und langsam auf gut 70 bis 80 Grad erhitzt. Unter ständigem Rühren. Fatima ist die Ruhe selbst und hat ein herzliches Lachen, während sie die vor den staunenden Städtern so in ihrem Topf rührt. Nachdem sie den Lab hinzugesetzt hat, wird der Topf in einen dicken Stoff gewickelt. Jetzt wird aus der Milch der Käse.

 

Anschließen wird der Käsebruch in kleine Formen verteilt und gut festgepresst. Nach und nach verliert er hier seine Flüssigkeit und stockt zu einem schmackhaften milden Ziegenkäse. Das braucht einige Zeit.

Traditionen zwischen Gestern und Heute

Zeit mit Pedro durch den Ort zu gehen. Er lädt uns ein zu einem Spaziergang durch die Eukalyptus-Wälder vorbei an den kleinen Gärten, hinüber zum alten Korkeichenwald.

Fatima gießt den Käsebruch ab. Alles geeschieg in dem kleinen Ziegenstallt in Ferraria-de-São-Joã
Alles geeschieg in dem kleinen Ziegenstallt in Ferraria-de-São-Joã. Foto: Flora Jädicke

Nach dem kurzen Rundgang durch den Ort, bietet Fatima noch einige Käse aus der Produktion der vergangenen Tage an. Es sind kleine Mengen. Alles wird hier in Handarbeit produziert. Der Tourismus soll nicht den Alltag bestimmen, aber einen Einblick geben, wie Portugal jenseits der Strände und großen Städte lebt. Rustikal und einfach und auch ein bisschen weltvergessen. Eine köstliche Mischung. So köstlich wie der Käse, den Fatima Tag ein Tag aus produziert. 

Käse aus der Serra da Lousã schmeckt auch in Ferraria-de-São-João

Auch interessant:

Ferreira de São João ist Teil der Schieferdörfer Portugals: www.aldeiasdoxisto.pt

Die EU unterstützt seit einigen Jahren den Wiederaufbau der Schieferdörfer Portugals. Sie kommen zusammen unter dem Projekt Aldeias do Xisto.

Pedro Pedrosa hat Fatima für den sanften Tourismus begeistert. Er ist eine der treibenden Kräfte hinter einem nachhaltigen Tourismuskonzept in Portugals Schieferdörfern. Mit dem Konzept will er auch das dörfliche traditionelle Leben dort erhalten. Er ist außerdem Gründer der Outdoor Agentur  A2Z . Über die Agentur vermittelt er auch Wanderungen und Rad- und Kultur-Touren in ganz Portugal.

Bilder und Text: Alle Rechte Flora Jädicke

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