Auf São Tomé e Príncipe hat der Tourismus erst begonnen. Er soll nachhaltig sein und zum Lebensgefühl der Menschen passen.
Vor der Westküste Afrikas versteckt sich eines der letzten Paradiese. Üppiger Tropenwald, der bis an goldgelbe Sandstrände reicht. Vulkanische Felsenriffe, an denen sich die Wellen des Atlantiks brechen. Papageien an den Berghängen und Früchte, die wie vom Himmel fallen. Das Paradies perfekt machen aber die freundlichen, fröhlichen Menschen, die ihre noch wenigen Gäste mit unverfälschter Lebensart empfangen.
Es ist schon etwas Besonderes zu den kaum mehr als einem Dutzend Touristen zu gehören, die hier am internationalen Flughafen ankommen. Der Rest sind Businessreisende vom afrikanischen Festland. Vor dem Flughafengebäude herrscht buntes Durcheinander. Jugendliche verkaufen Blumen. Kinder rennen, Motorräder knattern. Das ist aber auch schon die einzige Hektik, die Touristen in den kommenden Tagen erleben werden.
Auf São Tomé e Príncipe sagt man „Leve, leve“
Weit draußen im Atlantik, gut 200 Kilometer vor der Küste Gabuns im Golf von Guinea hat die Welt ein anderes Zeitmaß. Kapitän Lionel sitzt lässig in der offenen Cockpittür seiner alten Dornier. Aufmerksam sieht er den Packern zu, wie sie Koffer um Koffer im Bauch der African Airlines Maschine verstauen. Alles mit der Ruhe. Das ist so etwas wie die Anleitung zum Glücklichsein hier auf den Inseln. „Leve leve“, sagen die Einheimischen, „langsam, langsam.“ Am besten lässt man seine Uhr gleich zu Hause.
Wir lassen São Tomé ein paar Tage hinter uns und fliegen weiter nach Príncipe. Das winzige Eiland bildet zusammen mit São Tomé den zweitkleinsten Staat Afrikas. Als sich die Propeller der Do 228 endlich drehen, schickt mich der Flug über den Atlantik vollends in eine andere Welt, irgendwo hin zwischen Robinson-Traum und Humphrey Bogart-Feeling. Príncipe ist noch sechsmal kleiner als São Tomé.
Wandern im Obô Nationalpark auf Príncpe
Das Inselchen liegt kaum eine Flugstunde entfernt wie ein grüner Smaragd im blauen Atlantik. Nach dreißig Minuten kommt der kleine grünschwarze Punkt langsam näher. Üppig bewachsen mit schier undurchdringlichem Urwald. 90 Prozent der Insel sind mit Regenwald bedeckt. 2012 hat die UNESCO die südliche Hälfte der Insel deshalb und wegen der enormen Zahl endemischer Pflanzen und Tiere zum Biosphärengebiet erklärt. Es gehört zusammen mit den Flächen auf São Tomé zum Obô Nationalpark. Lokale Guides führen einfache und nicht ganz so einfache Touren durch den Park auf beiden Inseln Möglich sind auch mehrtägige Trekkingtouren. Hier offenbahrt sich ein wahres Paradies für Ornithologen und Botaniker.
Vor mehr als 30 Millionen Jahren haben Vulkane dieses traumhafte Fleckchen Afrika aus dem Meer gehoben und dabei auch ein kleines Gebirge hinterlassen. Der Pico Papageio ragt mehr als 680 Meter aus dem dichten Wald heraus, in dem wilde Orchideen blühen. Gut sichtbar von Príncipes Inselkapitale Santo António ist der das Wahrzeichen der kleinen Insel. „Die Inseln haben nie zum Festland gehört“, erklärt uns später der Fahrer João. „Wir waren immer unabhängig.“
Historiker erzählen von dunkler Vergangenheit
Geologisch ist das richtig. Die Historiker aber erzählen eine andere Geschichte. Der Jeep rumpelt über die Straßen von Santo António vorbei, an pastellfarbenen Kolonialbauten. Heute herrscht hier ein geradezu überirdischer Friede und die 1500 Hauptstadt-Einwohner scheint nichts aus der Ruhe zu bringen.
Aber was heute so beschaulich ist, war für die Vorfahren der 5000 Inselbewohner ein Ort des Grauens. Als die Portugiesen im Dezember 1470 das Land entdeckten bauten sie den kleinen Archipel schnell zu einer der berühmtesten Anbaugebiete für Kaffee und Kakao aus. Später im 15. Und 16. Jahrhundert machten sie São Tomé zum Umschlagplatz für den weltweiten Sklavenhandel. Offiziell war der zwar 1875 beendet. Aber die menschenverachtenden Arbeits- und Lebensbedingungen auf den Plantagen überdauerten bis ins 20. Jahrhundert.
Erst der Boykott portugiesischer Schokolade durch die Briten brachte das System endgültig Zum Einsturz. São Tomé e Príncipe galten lange als die größten Kakaoproduzenten der Welt. Heute sind die prächtigen Kolonialbauten und Plantagen verfallen und kleine Kooperativen auf den ehemaligen „Herrensitzen“ tun sich oft schwer auf dem Weltmarkt. Der Inselstaat scheint wie vergessen von der Welt. Doch jetzt rührt sich etwas. Seit einigen Jahren werden die Roças wieder aufgebaut.
Eco Tourismus und Nähe zu den Insulanern
Sie sind Teil eines nachhaltigen Tourismuskonzeptes, das auch Príncipes einst größte Plantage Roça Sundy wiederbelebt. Im Mai diesen Jahres eröffnete der IT-Milliardär Mark Shuttleworth auf der Roça Sundy das Sundy Plantation Hotel. Ein weiteres Boutique-Hotel für besser betuchte Gäste entsteht am Strand von Sundy. Dazu wurden 14 Familien umgesiedelt. Am neuen Strand soll ihr Leben besser sein. Doch rund um das Plantation Hotel auf der Roça Sundy spielen auch weiterhin die Kinder. 400 Menschen leben hier. In den Bäumen klettern Makaken. João ist hier aufgewachsen. Hier hat er gearbeitet. „Sehen sie dort“, sagt er und zeigt auf das Gerippe einer längst verrosteten Maschine.
Shuttleworths HBD Venture Capital (Here be Dragons) will hier Einheimische und Gäste zusammenbringen. Dazu hat er die Antropologin Rita Alves beauftragt, die Geschichte der Anlage zu erforschen und die Bewohner auf den künftigen Tourismusbetrieb vorzubereiten. Wie es am Ende alles zusammenwirkt, weiß auch sie noch nicht. „Die Gäste, die zu uns kommen, wollen den authentischen Kontakt zu Einheimischen“, sagt Paulo Andrade, Sales und Marketing Manager. „Touristen, die mit den Menschen hier nichts anfangen können, wollen wir auch gar nicht.“
Zwischen Hibiscus und Affenbrotbaum
Angefangen hat der als Weltraumtourist bekannt gewordene Investor mit dem kleinen Eco Resort Bom Bom Island. Ganz im Norden von Príncipe, auf einem schmalen Landstreifen ruhen 20 Bungalows umgeben vom Atlantik, der sich hier so zahm gibt, als hätte er mit dem tobenden Ozean, der er vor den Küsten des Aquitaine oder der Kanarischen Inseln ist, nichts zu tun. Surfen kann man an einigen Stränden trotzdem. Hier aber ist sogar das Meer tiefenentspannt. Affenbrotbäume spenden Schatten. Zwischen Pool und Bungalows blüht Hibiskus. Zum Restaurant geht man über einen langen Holzsteg. Er führt über eine idyllische Bucht voller exotischer Fische, hinüber auf das Mini-Vulkanriff.
Am nächsten Morgen verläuft nur eine einzige Spur im Sandstrand. Meine eigene. Sie verliert sie sich in den Schaumkronen der Wellen, als hätte nie ein Mensch seinen Fuß auf diese Insel gesetzt. Papageien kreischen in der Ferne. Palmblätter rascheln und wilder Mango fällt aus dem Regenwald, der bis an den Strand reicht. Seine gewaltigen Wurzeln zwischen dem schwarzen Lavasteinbrocken wirken wie urzeitliche Wesen in einer altertümlichen Welt.
Príncipe, eine archaische Schönheit
Die Sonne kämpft gegen milchigen Dunst über dem weiten Ozean und taucht den Morgen in ein silbrig bizarres Licht.
Vielleicht war es diese unwirklich archaische Schönheit, die Shuttleworth 2010 dazu inspirierte, die Insel mit mehr als 70 Millionen Euro für den Tourismus zu erschließen. Im Einklang mit der Natur und den Insulanern, wie er verspricht, und nachhaltig. „Anders als nachhaltig geht es gar nicht“, sagt Bom Bom Resort Manager Sérgio Duarte. „Flughafen und Landepiste sind gar nicht ausgelegt für den großen Massenansturm. Das könnte ein Glücksfall für den kleinen Archipel sein.
Auf der Roça Belo Monte scheint ein ähnliches Konzept aufzugehen. Hier ist die Zeit fast stehen geblieben. Nobler Kolonialstil und exzellentes Essen sollen auch Gäste aus Europa anziehen. Dazu gibt es einen weltberühmten Blick auf den Banana Beach. Hier soll in den 80er-Jahren Bacardi seine Werbespots gedreht haben.
Die viel größeren Roças aber liegen drüben auf der Hauptinsel São Tomé. Von einer Anhöhe fahren wir nach der Rückkehr, die Hauptstraße hinab in die imposante Roça Agostino Neto. Sie war nur den „Herren vorbehalten. Sklaven, die sie auf diesem Weg erwischten, wurden sofort erschossen. Bis zu 3000 Menschen lebten hier, mit Krankenhaus, Schulgebäude, Lager- und Kontorhäusern.
Eine neue Zeit auf den Roças von São Tomé
Heute herrscht ein organisches Durcheinander auf der Roça, im überall sichtbaren Verfall. Aber die Insulaner schreiben ihre Geschichte neu und haben sich mit der Vergangenheit arrangiert. Die großen Kolonialkriege wie in Angola oder Mosambique hat es hier auf den Inseln nicht gegeben, erzählt unser Guide. „Hass auf die Portugiesen? Nein den haben wir nicht“, sagt er.
Stattdessen geben kreative Einheimische São Tomé ein frisches Gesicht, das auch dem Tourismus zugute kommt. Einer von ihnen ist der Sternekoch João Carlos Silva. Er hat die Roça São João im Dorf São João dos Angolares wieder zum Leben erweckt. „Riechen sie das?“, das ist der wunderbare Duft dieser Inseln“, sagt er nicht ohne Pathos. Silva ist ein Original und über die Inselwelt hinaus bekannt durch seine Fernseh-Kochshow. In Lissabon will er demnächst ein Restaurant eröffnen. Sein Kunstzentrum CACAU ist bereits eine feste Institution im kulturellen Insel-Leben.
Sehr erfolgreich ist auch das kleine aber durch und durch energieautarke Praia Inhame Eco Resort ganz im Süden von São Tomé. Paradiesische Ruhe und Natur sind auch hier die wahren Schätze. „Wenn Du Glück hast, holt Dich nachts jemand aus dem Tiefschlaf“, scherzt unser Guide. Immer wenn die Meeresschildkröten sich unten am Strand auf den Weg ins Meer machen. Die urzeitlichen Meerestiere kann man an allen Insel-Küsten beobachten. Diese Nacht aber bleibt es still, im Resort nahe des Fischerdörfchen Porto Alegre. Nur der Atlantik murmelt sanft vor sich hin.
Wenige Tage später verabschieden wir uns von diesem entzückenden Flecken Afrika, nicht ohne Claudio Corallos Schokoladen-Labor zu besuchen. Diese Schokolade aus purem Kakao ist wie São Tomé und Príncipe selber: Ein paradiesischer Traum mit unverwechselbarem Charme.
Wie man hinkommt und was man beachten sollte:
Anreise: TAP Air Portugal fliegt viermal die Woche über Lissabon mit Zwischenstopp in Akkra (Ghana) – ohne Flugzeug zu verlassen – nach São Tomé. Seit Juli 2016 biete TAP Air Portugal außerdem ein Stopover-Programm Portugal für Langstreckenflüge zwischen Europa und Afrika an. Die Flugzeit ab Lissabon beträgt rund acht Stunden. www.flytap.com
Auch die Fluglinie STP Airways (euroatlantic) verbindet 1x wöchentlich
São Tomé mit Lissabon. Nach Príncipe fliegt man von São Tomé mit einer Maschine der Fluggesellschaft STP Airways. Der Flug dauert etwa 35 Minuten. Buchung ist mögich über www.stpairways.st.
Einreise Visum und Pass: : EU-Bürger, deren Reisepass noch mindestens 6 Monate gültig ist, benötigen bei der Einreise nach São Tomé und Príncipe kein Visum, wenn ihr Aufenthalt maximal 15 Tage dauert.
Wer länger im Land bleiben möchte, muss vorab bei der Botschaft des
Landes der Demokratischen Republik São Tomé e Príncipe in Brüssel (Tel. +32 27 34 89 66) ein Visum beantragen. Bei der Ausreise ist eine Flughafengebühr von 20 Euro zu entrichten.
Tourismussteuer: 3,- Euro pro Person und Tag auf São Tomé, 5,- Euro pro Person auf Príncipe. (ausgenommen Kinder bis 12 Jahren und Kreuzfahrtpassagiere).
Übernachten auf Príncipe: Bom Bom Resort (4-Sterne) bietet sehr guten Service und gemütliche Lodges mit teilweisem Privatstrand direkt an der Atlantik-Küste. www.bombomprincipe.com; bald Eröffnung: www.sundyprincipe.com
Resort Belo Monte ganz im kolonialen Stil, hohes Niveau und professioneller Tauchspot. www.belomontehotel.com
Das Sundy Roça Príncipe Island Plantation Hotel eröffnet im Mai 2017. Es ist eingebettet in das Leben auf der Roça und bietet einen authentischen Einblick in Trocknung von Kakao und das Leben der Einwohner. 6 Räume im Colonial Haus, 6 Räume im Plantagen Haus.
Übernachten auf São Tomé: Praia Inhame Eco Resort an der Ostküste im Süden der Insel: www.hotelpraiainhame.com; Ganz im Norden bietet das Hotel Mucumbli Lodges und hervorragendes Essen. mucumbli@gmail.com, Omali Lodge in der Hauptstadt São Tomé nur durch die Hauptstraße von der Strandpromenade getrennt oder das Pestana São Tomé Ocean Resort. www.omalilodge.com, www.pestana.com/de/hotel/pestana-sao-tome;
Auf der Ilhéu das Rolas im Pestana Equador, www.pestana.com/de/hotel/pestana-equador
Ausflüge: Roça São João dos Angolares, https://www.facebook.com/rocasaojoao/,
Schokoladenmanufaktur Claudio Corallo in São Tomé, www.claudiocorallo.com Kunstzentrum CACAU, www.buala.org/en/, Roça Agostinho Neto, Roça Monte Café, Wasserfall von São Nicolau, Kulturzentrum Almada Negreiros, http://www.odisseiasnosmares.com/2013/04/almada-negreiros-comemoracoes-dos-120.html
Roça Sundy, eine der ehemals größten Kaffe Plantagen auf Príncipe, www.sundyprincipe.com und die Ilhéu das Rolas mit Äquatorrelief.
Aktivitäten: Verschiedene lokale Anbieter und Resorts bieten Trekking-Touren, Tauch und Schnorchelmöglichkeiten, Radtouren und Fahrräder, Surfmöglichkeiten und Touren zu Wal, Vogel und Schildkrötenbeobachtungen.
Reiseanbieter: Hotels und Rundreisen nach São Tomé e Príncipe bieten One World, Ivory Tours, Ikarus Tours, Hauser Exkursionen, Reisen mit Sinnen Wikinger Reisen und Olimar.
Klima: Die Inseln sind ein ganzjähriges Urlaubsziel. Beste Reisezeit ist in den regenarmen Monaten zwischen Mai und September. Die Temperatur liegt das ganze Jahr über zwischen 20 und 30 Grad Celsius. Zwischen Januar und April erreicht das Thermometer die höchsten Temperaturen. Im Durchschnitt um die 30 Grad Celsius. Regenzeit von September bis Mai.
Gesundheit: Eine Gelbfieberimpfung ist nur notwendig, wenn der Reisende zuvor aus einem afrikanischen Land einreist. Malaria ist weitgehend unter Kontrolle. Eine Malariaprophylaxe wird zur Sicherheit ebenso empfohlen wie eine Impfung gegen Hepatitis A und B, Tetanus und Typhus. In São Tomé City gibt es ein Krankenhaus, auch mit englisch sprechenden Ärzten.
Geld: Die national Währung sind Dobra. Es werden aber auch Euro akzeptiert. Kreditkarten jedoch nur in einigen größeren Hotels. Geldautomaten gibt es wenige, nur in den Inselhauptstädten. Travellers cheques können teuer sein.
Wasser sollte nur abgefüllt getrunken werden. Die Landessprache ist Portugiesisch. Französisch wird eher verstanden als Englisch.