Das letzte Gipfelglück ist immer das größte. Aber dieses ist anders, großartiger, bizarrer. Hoch über dem Atlantik verläuft ein Kammweg der besonderen Art. Wer die Ruta de los Volcanes, den GR 131, auf La Palma geht, erlebt eine unwirkliche Landschaft von betörender Schönheit.
Eine atemberaubende Inselwanderung auf einer der schönsten Inseln der Kanaren, der „Isla bonita“, wie die Palmeros ihr Eiland gerne nennen.
Drei Tage war der DAV-Summit-Club-Wanderführer Alexander Sputh mit Naturfreunden unterwegs. In der Caldera de Taburiente, am Roche de Los Muchachos und auf dem Höhenweg über den Kamm der Vulkanberge Le Cumbre Vieja. Er führt durch La Palmas geologisch jüngsten Teil. Nur ein halbe Million Jahre alt sind die Vulkane im Süden La Palmas.
Die Sonne steht steil über der Insel. Der schwarze Lavasand speichert die Guthitze wie Holzkohle. In den Senken zwischen den Kraterspitzen rührt sich kein Lüftchen. Seit dem Start im Refugio del Pilar im Pinienwald ist Alexander Sputh der Gruppe meist einige Schritte voraus. In Gedanken ist er schon am Aussichtspunkt Mirador Birigoyo. Der Blick auf La Palmas höchste Berge, den Roche des Los Muchachos, auf die Caldera de Taburiente ist überwältigend und lässt die ganze Vielfalt erahnen. Unten im Aridane Tal ist Alex zu Hause, in La Palmas zweitgrößter Stadt Los Llanos de Aridane. Seit 30 Jahren lebt der Ex-Gitarrist von Herbert Grönemeyer auf der Insel und führt als Wanderführer Naturfreunde durch La Palmas spektakuläre Vulkanlandschaften.
Gedankenverloren stapft er durch die in allen Ockerfarben leuchtende Landschaft. Der Wald hat sich gelichtet. Jetzt setzen grüne Pinien und gelbe Ginsterbüsche farbliche Akzente. Später mischen sich dunkle rotbraune Töne, Grau und und das Tiefschwarz des Lavasands dazu und die Vegetation wird karger. Der Anstieg zum erst 1949 entstandenen Crater del Hoyo Negro ist steil und lang. An den Kraterrändern faucht uns ein erfrischender aber stecknadelspitzer Wind entgegen. Für einige Hundert Meter kämpfen alle gebückt und wankend gegen die Kräfte der Natur.
Es geht vorbei an den terrassenförmigen Hängen, die Lavaschicht für Lavaschicht die Innenseite des eindrucksvollen Kraterkelchs bilden. Mehr als 120 Vulkane reihen sich am Cumbre Vieja hintereinander. Einer bizarrer als der andere.
Im weichen Aschesand lässt sich gut gehen. Kondition braucht man dennoch. Noch immer geht es steil bergan, entlang der nicht enden wollenden rotbraunen Kraterlöcher. Gewaltige Lavadome haben aus dieser Landschaft einen natürlichen Skulpturenpark gemacht. Der Volcan de la Deseada ist der höchste Punkt der Ruta de Los Volcanos. Hier auf 1949 Metern ist das Gipfelglück perfekt, windumtost und mit einem gewaltigen Blick über das gesamte vulkanische Inselwunder.
Im Westen und Osten der Atlantik. Im Norden geht der Blick in die Caldera de Taburiente hinein und auf die höchsten Gipfel der Insel, bis hin zu den Nachbarinseln. Bei guter Sicht sieht man La Gomera, Teneriffa und El Hiero. Nach jedem Gipfelglück kommt der Abstieg. Mehr als 1000 Höhenmeter bergab sind es bis nach Fuencaliente. Aber vorher scheucht Alex die Gruppe noch ein paar kleine aber knackige Anstiege hinauf.
Der Volcan de Martin leuchtet rostrot herüber. Wie eine Kette Leuchtdioden zieht der bunte Treck der Wanderer durch die endlos scheinenden Aschefelder. Hier wächst fast nichts mehr. Nur ein paar spärlich verteilte fast neongrüne Kiefern kämpfen im heißen Vulkansand um das Überleben. In Gedanken steigen Erinnerungen an die vergangenen Wandertage auf. An das abendliche Bad im rauschenden Atlantik. An die köstliche Bananensuppe in der Café Bar „La Luna“ in Los Llanos und an das luftig leichte Gitarrenkonzert mit Alexander. An die Caldera de Taburiente. Statt Lavasand steigt man hier durch gewaltige Basaltformationen, steile Felswände und quert zahlreiche Bachläufe im Barranco de las Angustias, der „Schlucht der Ängste“.
Die Caldera ist ein Krater, der in prähistorischer Zeit unter dem eigenen Gewicht einbrach. 1954 wurde der Riesenkrater zum Nationalpark erklärt. Auch die Tour auf den Roche de Los Muchachos ist voller Kontraste. Mit 2426 Metern ist er der höchste Berg der Insel.
Ein Farbenmehr und seltene Pflanzen
Der Kammweg führt über den Pico de la Cruz (2240 m) und den 2351 Meter hohen Pico de La Nieve. Aber Alex führt die Naturfreunde an besondere Orte, die vor allem Botanikerherzen höherschlagen lassen. „Der hier ist äußerst selten und gehört zu den endemischen und geschützten Pflanzen der Insel“, sagt er plötzlich und zeigt auf einen winzigen bodennahen Busch am Rande der Zufahrtsstraße. Im Schatten der Kiefern leuchtet er orange und gelb. „Das ist ein Lotus pyranthus, den die Inselbewohner auch „Pico de Fuego –Feuerschnabel – nennen“, sagt Alex. Weiter oben, im Gipfelbereich des Roche de los Muchachos erhebt sich ein kleiner Wald aus Natternköpfen mehr als zwei Meter in die Höhe.
Von Blau bis Violett blühen die Stauden und sie sind Alex besonders ans Herz gewachsen.
La Palma ist ein Farbenmeer. Hinter den leuchtend-pink blühenden Natternköpfen drängen schneeweiße Passatwolken zwischen die dunklen Vulkangipfel. Unter ihnen, im feuchten Norden der Insel, wachsen Drachenbäume, Kaktusfeigen und Agaven. Darüber tiefblauer Himmel.
Aber hier über den Lavafeldern knallt die Sonne. Doch nach dem Gipfelglück folgt der Abfahrtskick: 730 Meter abwärts, in knöcheltiefem, weichen Lavasand. Besser als Freeriden!
Diese Reise wurde unterstützt vom Spanischen Tourismusbüro in Deutschland und vom DAV Summit Club. www.spain.info/de www.dav-summit-club.de
Anreise-Tipp: Iberia fliegt ab München mehrmals in der Woche nach Santa Cruz de la Palma. Von dort mit dem Mietwagen an die Westküste nach Los Llanos.
Touren-Tipp: Die Caldera de Taburiente. Von Los Llanons aus windet sich eine schmale Straße in den Barranco e Las Angustias, die „Schlucht der Ängste“. Der Flusslauf ist der natürliche Abfluss
der Caldera. Einstieg für die Tour kann „Los Brecitos“ am gegenüberliegenden Hang sein. Der Krater hat eine Umfang
von rund 28 Kilometern.
Hotel-Tipp: Hotel Valle Aridane liegt sehr zentral in Los Llanos. Für 45 Euro im Doppelzimmer mit Einzelnutzung bis 63 Euro Zimmer für drei Personen in einemZimmer. www.hotelvallearidane.
com. Die Hacienda San Jorge in Los Cancajos bietet Zimmer ab etwa 80 Euro. Dreimal wöchentlich Konzerte mit Alexander Sputh. www.hsanjorge. com/de
Musik-Tipp: Alexander Sputh ist ein deutscher Jazz-Musiker. Aktuelle CD „Ziriab – Caminito de Estrellas“. Literatur-Tipp: Iren Börjes, Hans-Peter Koch: La Palma. 7. Auflage. Müller, Erlangen 2010